Tuesday 28 November 2006

Herz oder Hirn?

Jeder von uns muss täglich unzählige Entscheidungen treffen - wichtige und unwichtige. Sei es der morgentliche Blick in den Kleiderschrank, die Qual der Wahl am Mittagsbüfett oder ein neuer Haarschnitt. Während wir diese Entscheidungen wohl meist großteils aus dem Bauch heraus und ohne langem Überlegen fällen, stellt sich mir die Frage wie wir wohl bei den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu einem Entschluss kommen?
Die Wahl des Studiums, der Umzug in eine eigene Wohnung, ein Aufenthalt im Ausland, ja und vor allem auch wenn es um Freundschaft und Liebe geht - wer sagt uns welchen Weg wir einschlagen sollen und auf wen sollen wir hören ? Herz oder Hirn?

Das Hirn steht für mich für die Vernunft, die die positiven und negativen Konsequenzen unserer Entscheidungsalternativen genau abwägt. Die Vernunft kann uns vor so manch überstürztem oder sogar riskantem Entschluss bewahren. Doch wäre das Leben nicht auch ziemlich langweilig wenn es keine Risken in sich bergen würde?

Nun kommt das Herz, beziehungsweise das Bauchgefühl, ins Spiel. In vielen Fällen ist jene Wahl, die wir spontan aus dem Bauch heraus treffen auch die richtige Wahl. Wenn uns unser Herz sagt, dass wir das Richtige tun, wir uns auf dem richtigen Weg befinden und für das Richtige kämpfen, kann denn das überhaupt falsch sein? Oder gibt es doch so etwas wie einen Systemfehler in der Herzgegend?
Wenn man das Herz am rechten Fleck trägt, kann man wahrscheinlich kaum von einem Systemfehler sprechen. Ganz im Gegenteil, heißt es doch "Man sieht nur mit dem Herzen gut."
Dennoch ist auch das Herz mit Vorsicht zu genießen, spielt es uns doch hin und wieder einen Streich und lässt uns völlig irrationale Entscheidungen fällen oder macht uns blind gegenüber der Wahrheit, die wir nicht hören wollen.

Doch was tun, wenn sich Herz und Hirn in einem Machtkampf befinden? Wenn das Herz "ja" sagt und das Hirn laut "nein" schreit? Wen sollen wir gewinnen lassen - denn in Wahrheit ist auch dies eine bewusste Entscheidung, die wir uns nur ungern eingestehen wollen. Nach langem Überlegen und unzähligem Abwägen, muss ich sagen, ich weiß es nicht. Ich denke, es gibt Situationen, in denen man unbeirrt seinem Herzen folgen muss, auch wenn die Vernunft ganz und gar nicht damit einverstanden ist.
Andererseits gibt es auch Fragen, besonders wenn sich das Herz in unzurechnungsfähigem Zustand befindet, die wir lieber der Vernunft überlassen sollten. Manchmal finden wir uns in Situationen wieder, in denen wir uns einfach vor uns selbst schützen müssen um keinen Fehler zu begehen oder unnötig verletzt zu werden. Manchmal muss das Hirn einfach die Notbremse ziehen!

Dennoch, wenn wir es zustande bringen, sollten wir beidem, dem Herzen und der Stimme der Vernunft stets Gehör schenken um so eine ausgewogene Kombination aus Herz und Hirn für unsere Entscheidungen zu finden.

Ulli

Friday 24 November 2006

Vergeben und vergessen?

Ich blicke nun auf das erste Semester meines Auslandsjahres zurück und frage mich, was in den vergangenen Monaten am Prägendsten, am Bedeutendsten für mich war. Die Antwort ist eindeutig: die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Es ist unglaublich wie viele Menschen ich hier kennengelernt habe und wie sehr mir einige von ihnen bereits ans Herz gewachsen sind. Natürlich sind nicht alle Beziehungen von gleicher Bedeutung. Mit manchen Menschen sitzt man lediglich in der gleichen Vorlesungen, andere trifft man nur beim Ausgehen und von einigen kann man sich nicht mal die Namen merken.

Doch es gibt auch jene Beziehungen, die weit unter die Oberfläche gehen. Ja, ich hätte selbst nie gedacht wie tief sie gehen können. Oft realisiert man erst wie viel einem jemand bedeutet, wenn man sich streitet. Denn nur Menschen, die wir im Herzen tragen können uns wirklich verletzen. Doch warum sind es gerade die Menschen, die uns am Meisten bedeuten, die uns gleichzeitig am Meisten verletzen?

"Nur ja keinen Streit vermeiden", grundsätzlich ein weiser Spruch. Diskussionen sind etwas Positives und in Auseinandersetzungen kann man viel lernen - über den anderen und über sich selbst. Die Menschen die mich herausfordern und mit denen ich auch streiten kann sind meist auch jene, die ich am Meisten respektiere und deren Meinung mir am Wichtigsten ist. Doch gibt es nicht auch einen Punkt wo genug einfach genug ist?

Wo macht eine Diskussion noch Sinn, wenn man sich gegenseitig nur mehr schlimme Dinge an den Kopf wirft? Und noch weitaus wichtiger ist - wie findet man wieder zueinander? Oft sagt man Dinge, die man eigentlich nicht meint und die man gerne zurücknehmen würde. Doch erstmal gesagt, ist der Schaden bereits angerichtet. Die Wunden dann wieder zu heilen ist meist nicht einfach, vor allem weil es uns doch oft so schwer fällt über unseren eigenen Schatten zu springen. Ein einfaches "Es tut mir leid" scheint schwieriger als den höchsten Berg zu erklimmen.
Und was passiert wenn niemand bereit ist den ersten Schritt zu wagen? Wenn man weiß, dass der andere genauso verletzt ist und man dennoch nicht den Mut oder die Kraft aufbringt auf ihn zuzugehen. Falscher Stolz und Sturheit entfernen uns doch nur noch mehr von einander.
So hoffnungslos dies nun klingt, finden wir glücklicherweise meist trotzdem irgendwie wieder zu einander. Die Frage ist nur, ob wir den angerichteten Schaden überwinden können und welche Spuren er hinterlässt. Vergeben und vergessen? Ich weiß es nicht.

Manchmal trifft man Menschen wo es wirklich stimmt: Wir können nicht miteinander, aber schon gar nicht ohne einander.

Ulli

Lost in translation!

Seit mehr als drei Monaten studiere ich nun als Austauschstudentin an der Corvinus Universität in Budapest. Die Zeit vergeht schneller als mir lieb ist und in weniger als fünf Wochen geht auch schon das erste Semester zu Ende. Es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, dass die vergangenen Monate mein Leben mehr geprägt haben als alles was ich in meinem beinahe 22-jährigem Dasein bevor erlebt habe. Zum ersten Mal weg von zu Hause, hinaus aus dem behüteten Nest in ein völlig neues Leben.

Für ein Mädl vom Land, wie ich es bin, hat sich weitaus mehr verändert als "nur" in einem fremden Land zu studieren. In Budapest lebe ich zum ersten Mal in einer Großstadt und auch zum ersten Mal in einer Wohnung. Zu meiner großen Überraschung fiel mir diese Umstellung gleich von Beginn an sehr leicht. Es ist unglaublich wie flexibel der Mensch doch wirklich ist und ich denke der Spruch "Ma g'wohnt si an ois" hat definitiv seine Berechtigung. Ein Semester im Ausland zu verbringen ist meiner Ansicht nach eine immense persönliche Bereicherung. Ich spüre selbst, dass sich mein Horizont unglaublich erweitert hat, dass ich mich während der letzten Monate verändert habe.

Doch gleichzeitig schleicht sich auch hin und wieder eine gewisse Angst in meine Gedanken. Was wird passieren wenn ich wieder nach Hause komme? Werde ich wieder meinen Platz im engstirnigen St. Mariener Dorfleben finden? Ich bin ein Kind vom Land und man könnte vermuten, dass ich die Natur und den Freiraum des Landlebens hier in der Großstadt am Meisten vermisse. Doch was ich wirklich vermisse ist das soziale Netzwerk und das Dorfleben mit seinen Traditionen und Fixpunkten im Jahreskreis. In einer großen Stadt wohnt man Tür an Tür mit fremden Leuten, jeder Tag ist wie der andere und man kann Wochentag von Wochenende kaum unterscheiden. Ich vermisse "Grüß Gott" zu sagen, wenn Leute auf der Straße an mir vorbei gehen. Ich vermisse am Sonntag ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich wieder den Kirchgang verschlafen habe. Ich vermisse den Kaufmann im Geschäft, der mich beim Namen kennt. Ich vermisse den Wirt, der mich fragt wie es mir geht, wenn er mir ein Hirter-Seiterl serviert. Ich vermisse sogar einen Plass Günther, der Derbes durch die Gaststube schreit, worüber die nächsten drei Tage im Ort getratscht wird. Doch so sehr ich dies alles vermisse, wird es doch eine große Herausforderung wieder in dieses kleine Dorf, in dem die Welt an der Ortstafel zu enden scheint, zurückzukehren.

Ulli